On The Top Of The Other (Lucio Fulci, Frankreich / Italien / Spanien 1969)

Als seine Frau Susan (Marisa Mell) stirbt, erbt der Arzt George Dumurrier (Jean Sorel) eine hohe Geldsumme, was den Verdacht der Polizei und der Versicherung auf ihn lenkt. Kurze Zeit später lernt Dumurrier die Stripperin Monica Weston kennen, die seiner verstorbenen Frau zum Verwechseln ähnlich sieht.

Zunächst: Der unter dem internationalen Titel „On The Top Of The Other“ (OT: una sull’altra) vermarktete, aber auch unter den Namen „Perversion Story“ und „Nackt über Leichen“ bekannte Erotikthriller von Lucio Fulci, ist ein wahnsinnig gut aussehender, stilvoller, aber auch perfider Vertreter seiner Gattung. Es geht um Intrigen der Reichen und Schönen. Und schön und musikalisch reich ist der Film auch – schon alleine optisch sowie durch den jazzigen Score von Riz Ortolan bestens unterhält. Fulci und seinem Kameramann Alejandro Ulloa sind nicht nur etliche einprägsame Aufnahmen geglückt, welche die Besonderheiten des Krimiplots subtil untermauern, sondern ebenso viel stimmungsvolle Bilder von San Francisco. Wir sehen die Personen oft durch Glas oder ihre Reflektion in einem Spiegel; und auch sonst gibt es etliche schräge Perspektiven, experimentierfreudige Collagen und originelle Regie-Einfälle zu bewundern.

Doch es sind weniger seine offensichtlichen Reize, die den Hitchcock-inspirierten und an die Themen und die Ästhetik Brian de Palams erinnernden Thriller so interessant machen. Zum einen ist er der erste Ausflug Fulcis ins Giallo-Genre, zum anderen gehört er zu den wenigen Gelegenheiten, den Regisseur als rationalen, mehr oder weniger kohärenten Geschichtenerzähler zu erleben. Und noch ein dritter Aspekt macht diesen Giallo für mich spannend: Die Mechanismen der Zerstörung, die in Fulcis späteren Filmen vor allem körperlicher Natur sind, werden hier auf das gesamte Leben eines Mannes angewandt. Nach und nach gerät alles, letzten Endes selbst verschuldet, aus den Fugen, bis er schließlich in der Todeszelle landet. Doch ist es nicht nur die Destruktion selbst, sondern auch die Art ihres Voranschreitens, die Zwangsläufigkeit, die den Ereignissen dieses Films zugrunde liegt, die Unausweichlichkeit jedes einzelnen Schrittes bis hin zum Finale, die ein Charakteristikum vieler Filme Fulcis wie auch anderer Gialli sind. Hierzu passt übrigens auch sehr gut das Schauspiel von Jean Sorel, der mit kaum bewegter Mine seinen Alptraum durchlebt, so als wüsste er stets, dass er sein Schicksal verdient und keine Chance hat, die Geschichte von sich aus zu wenden.

„On The Top Of The Other“ ist ein Film, in dem Fulcis Werk noch nicht aus den Fugen geraten ist, in dem die Verhältnisse noch stimmen und die drei bisher vom mir beobachteten, inneren Prinzipien seines Schaffens – Zerstörung, Fatalismus und Sühne – mit dem Primat der Ästhetik im Einklang stehen. Fulci wirft einen Blick hinter die Fassaden der oberen Zehntausend und zeigt, wie selbstsüchtig, niederträchtig und intrigant es dort zugeht. Zum Schluss bekommt jeder, was er verdient. Wer Fulci vor allem wegen seiner inkohärenten Geschichten, der fiebrigen traumartigen Atmosphäre seiner Filme und der heftigen Gewalteruptionen mag, wird mit diesem Film möglicherweise zunächst fremdeln. Meiner Meinung nach ist das aber ein Grund mehr, ihn sich anzusehen und andere Seiten dieses vielfach unterschätzten Filmemachers kennenzulernen. Hier ist Fulcis Welt noch in Ordnung, „On The Top Of The Other“ ist zwar nicht ganz oben auf, aber auf alle Fälle eine runde Sache!

Ein Kommentar zu “On The Top Of The Other (Lucio Fulci, Frankreich / Italien / Spanien 1969)

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